Blog-Layout

Grundlegendes zum Strafverfahren

Wie läuft so ein Strafverfahren eigentlich ab und was habe ich zu erwarten?

Beim Durchschnittsbürger herrscht oftmals eine Fehlvorstellung oder Unkenntnis über den tatsächlichen und realen Ablauf eines Strafprozesses vor - zumindest ist das die tägliche Erfahrung, die man als Strafverteidiger macht. Der Tatort, Gerichtsshows etc. tragen ihr Übrigens dazu bei. Diese entsprechen aber nicht der tatsächlichen Praxis, wie Sie sie im Fall der Fälle erleben werden.

Wie läuft ein Strafverfahren ab?

Das Strafverfahren beginnt mit dem sogenannten Anfangsverdacht. Die Ermittlungsbehörden - Polizei oder Staatsanwaltschaft - bekommen Kenntnis einer möglichen strafbaren Handlung. Daraufhin wird ein Verfahren gegen den Beschuldildigten, also gegen die Person, der die Vorwürfe gemacht werden, eingeleitet. Dieses erste Verfahrensstadium ist das Ermittlungsverfahren. Die Strafverfolgungsbehörden versuchen nun mit den ihnen durch die Strafprozessordnung zur verfügung gestellten Möglichkeiten den Sachverhalt zu ermitteln und aufzuklären.

Bereits im Ermittlungsverfahren besteht die Möglichkeit, dass der Beschuldigte in Untersuchungshaft kommt. Hierzu müssen jedoch die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Weitere Informationen erfahren Sie HIER.

Neben der U-Haft stehen den Ermittlungsbehörden eine Reihe von Ermittlungsmaßen zur Aufklärung des Sachverhalts zur Verfügung, wie beispielsweise die Durchsuchung von Wohnräumen, die Beschlagnahme von Gegenständen, die molekuargenetische Untersuchung, die erkennungsdienstliche Behandlung oder die Funkzellenabfrage.

Nachdem der Sachverhalt ausermittelt ist, bekommen der Beschuldigte bzw. sein Verteidiger die Möglichkeit sich zu dem Sachverhalt zu äußern. Danach prüft der gewissenhafte Staatsanwalt, ob denn ein hinreichender Tatverdacht aus seiner Sicht vorliegt. Er muss sich also fragen, ob die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung in der Hauptverhandlung größer als der Freispruch in der Hauptverhandlung ist.

Kommt er zu dem Ergebnis, dass die Verurteilung wahrscheinlicher ist, entwirft er die Anklage (oder ggf. einen Strafbefehl. Diesen leitet er an das zuständige Amts- oder Landgericht weiter. Dieses Verfahrensstadium ist das sogenannte Zwischenverfahren. Das Gericht stellt dem Angeschuldigten (Achtung: Im Zwischenverfahren wird aus dem Beschuldigten der Angeschuldigte) und seinem Verteidiger die Anklageschrift zu und gibt diesen nochmals die Möglichkeit zur Stellungnahme und Anbindung von Beweismitteln.

Im Anschluss daran prüft und entscheidet dann das Gericht über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens. Hat das Gericht eine andere rechtliche Bewertung des Sachverhalts als die Staatsanwaltschaft vorgenommen, so lehnt es die Eröffnung der Anklage ab.

Entscheidet sich das Gericht dazu, die Anklage zuzulassen, so erlässt es einen sogenannten Eröffnungsbeschluss und bestimmt (in Absprache mit den anderen Verfahrensbeteiligten) über die Terminierung der Hauptverhandlung. Etwa eine Woche vor der Hauptverhandlung wird den Verfahrensbeteiligten die Besetzung der Richterbank mitgeteilt.

Am ersten Prozesstag beginnt nun die "normale" Gerichtsverhandlung. Das sogenannte Hauptverfahren beginn.

Welche Strafe habe ich zu erwarten?

Ist eine Verurteilung zu erwarten, so ergibt sich denklogisch die entscheidende Frage:


Wie werde ich denn bestraft?


Um das zu diesem Zeitpunkt beantworten zu können, müsste man Hellseher sein. Selbstverständlich ist es nachvollziehbar, dass der Betroffenen gerne sofort wüsste auf was er sich einzustellen hat. Die Aussage, dass aber auf jedenfalls Bewährung drinnen ist oder eine maximale Geldstrafe von xxx Euro zu erwarten ist, wäre aber alles andere als seriös.

Nicht ohne Grund gibt der Gesetzgeber dem Gericht lediglich einen Strafrahmen vor in dem er sich bewegen kann. Jedes Verfahren und jeder Betroffene ist nunmal anders und kann an sich nicht direkt verglichen werden. Insoweit verbieten sich auch vergleiche, dass ein Freund aber für das Gleiche aber nur 2000 Euro Geldstrafe bekommen hat, während man selbst 3000 Euro Geldstrafe bekommen hat.

Letztlich kommt es also auf den Einzelfall an. Hierzu ein kleines Beispiel:

Person A und B werden in separaten Verfahren jeweils vorgeworfen an einer Person unter vierzehn Jahren sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben. Rechtlich stellt sich dies als sexueller Missbrauch eines Kindes dar, § 176 Abs. 1 StGB. Der Strafrahmen liegt hier bei einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

§ 176 Sexueller Mißbrauch von Kindern

(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(...)

A wird zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Freiheitsstrafe wird bei ihm zur Bewährung ausgesetzt. B hingegen wird zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Diese kann nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.

Wie lässt sich das erklären?



Der Strafrahmen gibt die Möglichkeit  einer Verurteilung zwischen 6 Monaten und 10 Jahren Freiheitsstrafe vor. In diesem Rahmen kann sich das Gericht halbwegs frei bewegen.

Dieser kann zunächst noch durch gewisse Umstände, wie beispielsweise einem Täter-Opfer-Ausgleich oder einer ggf. vorliegenden verminderten Schuldunfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat nach unten verschoben werden. Dies nennt sich die sog. Strafrahmenverschiebung.

Nachdem der Strafrahmen dann bestimmt ist, werden bei der Strafzumessung zum einen verschiedenste persönlich Umstände des Angeklagten gewürdigt, so z.b. ob er Ersttäter ist oder bereits (einschlägig) vorbestraft ist, ob er Reue zeigt oder sogar ein vollumfängliches Geständnis ablegt und so dem Kind eine Aussage erspart oder ob er sich freiwillig gestellt hat. Die Liste ist lang...

Zum anderen kommt hinzu, dass auch die Umstände der Tat eine Rolle bei der Strafzumessung spielen können. Hierzu zählen beispielsweise die psychischen und physischen Folgen der Tat für das Kind, das Nachtatverhalten des Angeklagten oder das Verhältnis zwischen Täter und Opfer.

Erst nach Abwägung der strafzumessungerheblichen Punkte bestimmt das Gericht in einer nochmaligen Gesamtabwägung die Konkrete Strafe.

Wie Sie sehen, können weder zu Beginn eines Strafverfahrens, noch bei Anklageerhebung seriöse Aussagen dazu getroffen werden, was Sie denn genau erwartet. Es kann lediglich der ungefähre Rahmen abgesteckt werden, in dem sich eine mögliche Verurteilung bewegen wird.

Was habe ich neben der eigentlichen Strafe noch zu erwarten?

Neben der eigentlichen Strafe gibt es aber noch weitere Entscheidungen, die den Betroffenen erwarten können. Diese werden oftmals gar nicht genau im Blick behalten - Das Böse erwachen kommt dann allerdings im Nachgang. Deshalb ist es wichtig, dass man als Strafverteidiger nicht nur den eigentlichen Strafrahmen, den das Strafgesetzbuch vorgibt, im blick behält, sondern den Betroffenen umfassend berät und über weitere Konsequenzen informiert.

Neben der eigentlichen Strafe, die in aller Regel auch den Weg in das Führungszeugnis  findet, sind unter Umständen weitere strafrechtliche Nebenfolgen zu erwarten:


  • Verbot der Beaufsichtigung und Beschäftigung von Jugendlichen, § 25 JArbSchG
  • Negative Auswirkungen auf die Zuverlässigkeitsprüfung, so bspw. bei Jägern, sonstigen Waffenbesitzern oder Hobbypiloten
  • Negative Auswirkungen auf die Zulassung/Approbation bei verkammerten Berufen wie z.B. Rechtsanwälten, Ärzten oder Architekten.

Brauche ich dazu einen Anwalt?

Ob man sich nun der Hilfe eines Strafverteidigers bedienen sollte oder nicht, bleibt natürlich Jedem selbst überlassen. Letztlich ist Jeder seines eigenes Glücks Schmied.

Sie sollten nur eins beachten: Sie bewegen sich in einem Terrain, das Ihnen (in der Regel) nicht vertraut ist. Der Strafprozess hat seine Tücken und läuft nach strengen Regeln ab. Um sich hier halbwegs gefahrlos bewegen zu können, sollte die Strafprozessordnung unbedingt beherrscht werden. Ihre Gegenspieler - Polizei und Staatsanwaltschaft - sind in solchen Situation erfahren und entsprechend ausgebildet.


Disclaimer
Bitte beachten Sie, dass ich für die auf dieser Seite vorliegenden Informationen keine Haftung übernehmen, diese Seiten weder ein Mandatsverhältnis begründen, noch ein Beratungsgespräch ersetzen können. Rechtliche Probleme und Fragen sind vielschichtig und bedürfen stets einer genauen Prüfung und Analyse der konkreten Verhältnisse, sodass schematische Lösungen ohne eine ausführliche und eingehende Prüfung des Sachverhalts nicht möglich sind.

Kontaktieren Sie uns

Share by: