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Stealthing

Abziehen des Kondoms wirklich strafbar?

Vor einiger Zweit war es in aller Munde - das sog. Stealthing. Letztlich beschreibt es nichts anderes als das heimliche Abziehen des Kondoms während des an sich einvernehmlichen geschützten Geschlechtsverkehrs. Vermutlich etwas, was seit der Erfindung des Kondoms immer wieder ml vorgekommen ist.


Und so verwundert es, dass der Begriff und/oder die Problematik bis vor kurzem weder bekannt noch juristisch irgendwie Aufsehen erregt hat.

Im Jahr 2018 gab ein Verfahren und eine Verurteilung vor dem Amtsgericht Berlin Tiergarten wegen des Vorwurfs des sexuellen Übergriffs gegeben. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig. Der Angeklagte legte gegen dieses Urteil das Rechtsmittel der Berufung ein. Das Landgericht Berlin verurteilte ihn in zweiter Instanz zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hiergegen legte der Angeklagte nun Revision ein. Diese blieb erfolglos.

So hat das Kammergericht Berlin am 27.07.2020 - Az. (4) 161 Ss 48/20 (58/20) - entschieden:

Amtlicher Leitsatz:

Das sog. Stealthing erfüllt jedenfalls dann den Tatbestand des sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1 StGB, wenn der Täter das Opfer nicht nur gegen dessen Willen in ungeschützter Form penetriert, sondern im weiteren Verlauf dieses ungeschützten Geschlechtsverkehrs darüber hinaus in den Körper des bzw. der Geschädigten ejakuliert.


In den Urteilsgründen führte es hierzu aus:

[...]

Denn die Tatbestandsmäßigkeit liegt jedenfalls in einem Fall vor, in dem der Täter das Opfer nicht nur gegen dessen Willen in ungeschützter Form penetriert, sondern im weiteren Verlauf dieses ungeschützten Geschlechtsverkehrs darüber hinaus in den Körper des bzw. der Geschädigten ejakuliert. Jedenfalls dann, wenn der gegen den Opferwillen ungeschützt vorgenommene Geschlechtsverkehr - wie hier - bis zum Samenerguss in der Vagina der Geschädigten vollzogen wird, weist das Verhalten des Täters im Vergleich zum konsentierten Verkehr mit Kondom eine andere (sexualstraf-) rechtliche Qualität von strafbarkeitsbegründender Erheblichkeit auf, sodass dieser Geschlechtsverkehr als tatbestandsmäßige sexuelle Handlung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB anzusehen ist.

Das sog. Steathling erfüllt also mindestens den Straftatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB.


Damit aber nicht genug. Auch an einer anderen Stelle sollten die Urteilsgründe noch genauer betrachtet werden:

[...]

Der Senat hat es insbesondere hinzunehmen, dass dem Angeklagten trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB kein besonders schwerer Fall (und damit im Schuldspruch keine Vergewaltigung) zur Last gelegt worden ist. Eine Schuldspruchänderung im Revisionsrechtszug kam schon angesichts der besonderen Konzeption des § 177 Abs. 6 StGB, bei dem der Schuldspruch wegen Vergewaltigung unmittelbar an eine (dem Senat bei der hier gegebenen Sachlage verwehrte eigene) Strafzumessungsentscheidung geknüpft ist, nicht in Betracht.

[...]

Mit anderen Worten heißt das, dass künftig auch sehr wohl ja nach Einzelfall eine Strafbarkeit wegen einer Vergewaltigung in Betracht kommen könnte.


Dies hat im Ergebnis zur Folge, dass der Strafrahmen nicht wie bei § 177 Abs. 1 StGB zwischen sechs Monaten und fünf Jahren, sondern nicht unter zwei Jahren liegt.


§ 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.


[...]


(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn 

1.

der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder

2.

die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.


[...]



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