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Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht...

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht...

Beweiswert der Zeugenaussage eines teilweise lügenden Zeugen

Ganz zutreffend ist dieser Spruch zwar nicht, zumindest wenn man ihn auf die Aussage eines Zeugen anwendet. Der BGH stellt aber immer wieder klar, dass die Aussage eines teilweise lügenden Zeugen bei Aussage gegen Aussage Konstellationen genauer unter die Lupe genommen werden muss.
So auch in seiner Entscheidung von 30.01.2018, Az. 4 StR 587/17.
Ist ein Zeuge in einem Wesentlichen Teil seiner Aussage nicht bei der Wahrheit geblieben, so sind die übrigen Aussageteile in Bezug auf die Suggesstionshypothese besonders sorgfältig zu prüfen.
Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grund:
Die 01.12.2012 geborene Nebenklägerin und der Angeklagte waren Nachbarn. Die Nebenklägerin hielt sich zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten häufig im Haushalt des Angeklagten und seiner Ehefrau auf.
Ab Frühjahr 2015 an erschien die Nebenklägerin vornehmlich dann im Haus des Angeklagten, wenn dessen Ehefrau nicht anwesend war. Hierbei versuchte sie möglichst hübsch auszusehen.

Eine Wochen vor der angeklagten Tat begann der angeklagte ein "Spiel" mit der Nebenklägerin. In einem Notizbuch notierte er zahlreiche an die Nebenklägerin gestellte Fragen mit sexuellem Hintergrund. Auf den Folgeseiten notierte die die jeweiligen Antworten der Nebenklägerin, teilweise aber auch seine eigenen. Die notierten Antworten der Nebenklägerin, insbesondere nach ihrer Bereitschaft zur Vornahme weiterer sexuellerer Handlungen, sind vorwiegend affirmativen Inhalts.

Zu einem späteren Zeitpunkt besuchte die Nebenklägerin den Angeklagten. Sie gingen zusammen in sein Schlafzimmer, wo er sie und sich selbst entkleidete. Nachdem sich beide auf das Bett gelegt hatte, kam es zum sexuellen Kontakt zwischen beiden.

An diesem Nachmittag traf die Zeugin R. die weinende Nebenklägerin, die ihr erzählte, dass sie von Ihrer Mutter geschlagen worden sei, sie daraufhin die Wohnung verlassen habe und nicht mehr zurückkehren wolle. Nachdem die Polizei verständigt wurde, erzählte die Nebenklägerin der Polizei, dass sie und ihre Schwester häufiger von der Mutter geschlagen worden seien. Ferner erzählte sie der Polizei, dass sie in den letzten Zwei Wochen von ihrem Nachbarn - dem Angeklagten - zwei mal vergewaltigt worden sei.

Im Strafprozess hat der Angeklagte die Einträge in dem Notizbuch als inhaltlich zutreffend bezeichnet, den sexuellen Missbrauch aber bestritten.
Die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung bekundet, der Vorwurf, sie sei von Ihrer Mutter geschlagen worden, erfunden zu haben, weil es zwischen ihnen häufiger Streit gab. Ihre Angaben zum Tatvorwurf bezüglich des Angeklagten entsprächen jedoch der Wahrheit. 

Die Strafkammer sah die Angaben der Nebenklägerin als uneingeschränkt glaubhaft an. Die Angaben der Unwahrheit hinsichtlich der Schläge durch Ihre Mutter ändern daran nichts. Eine Suggestion der Nebenklägerin durch die Vernehmungsbeamtin der Kriminalpolizei oder durch die Zeugin R. hat der Landgericht ausgeschlossen. Gegen eine Suggestion sprächen auch die "qualitativ hochwertige Aussage" der Nebenklägerin sowie die Eintragungen in dem Notizbuch, mit dem der Angeklagte die Nebenklägerin auf die Missbrauchshandlungen vorbereitet habe.
Der BGH hob dieses Urteil auf. In seinen Entscheidungsgründen führte der 4. Senat hinsichtlich des Beweiswertes der Aussage der Zeugin folgendes aus:
Das LG sieht in den vom Angekl. vorgenommenen Eintragungen in sein Notizbuch ein »starkes Indiz« für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenkl. zum unmittelbaren Tatgeschehen. Die Annahme der StrK, der Angekl. habe das Tatopfer durch das den Notizen zu Grunde liegende Frage-Antwort-»Spiel« sexuellen Inhalts »angefüttert« und nach Art eines »Drehbuchs« für die Missbrauchshandlungen vorbereitet, stellt danach zwar für sich genommen eine mögliche Schlussfolgerung dar. Ein in Bezug auf die Suggestionshypothese bedeutsamer Umstand bleibt in diesem Zusammenhang aber unerörtert. Das LG hätte eine mögliche suggestive Wirkung der vom Angekl. gestellten Fragen auf das Aussageverhalten der im Tatzeitraum 9 J. alten Nebenkl. in den Blick nehmen müssen. 

Zahlreiche dieser Fragen sind auf die Erkundung der Bereitschaft der Nebenkl. gerichtet, mit dem Angekl. Sexualpraktiken durchzuführen bzw. haben sexuelle Handlungen zum Gegenstand, die deutliche Parallelen zu dem von ihr später geschilderten Missbrauchsgeschehen aufweisen. 
Erörterungsbedürftig war dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Nebenkl. in einem zentralen Punkt ihrer Aussage, die behaupteten Schläge der Mutter betreffend, nicht bei der Wahrheit geblieben ist. [...]
Mit anderen Worten sagt der BGH, dass es auch in einer Aussage gegen Aussage Konstellation nicht richtig wäre, der Aussage der Zeugin gar keinen Beweiswert zuzumessen. Es bedarf aber einer besonders genauen aussagepsychologischen Überprüfung der Aussage, insbesondere wenn Anzeichen dafür vorliegen, die eine Suggestion nahe liegen könnten. Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie hier.

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